Aus unserer über 150-jährigen Geschichte
Am ersten Markttag des Jahres 1848 wurde unsere erste Fahne geweiht. Dem jungen Verein wurde diese von den Frauen und Jungfrauen gestiftet, gestaltet in den Vaterlands- und Revolutionsfarben „Schwarz-Rot-Gold“. In der damals sehr bewegten Zeit der auf- kommenden Demokratie setzte sich „Turnvater“ Friedrich Ludwig Jahn (1778 bis 1852) für das Turnen als eine körperliche Betätigung für jedermann mit einem durchaus auch wehrpolitischen Nutzen und der Einheit der Deutschen als Ziel ein. Er half bei der Verbreitung des Turnens, wo es ihm möglich war: Er schickte Vorturner und besuchte auf seinen Turnfahrten selbst verschiedene Turnplätze. Seine Ideen begeisterten auch fortschrittlich gesinnte Guntersblumer Bürger. In diese Zeit fallen als Marksteine der Demokratie das Hambacher Fest auf dem Hambacher Schloß und die Nationalversammlung in der Paulskirche in Frankfurt am Main, in die Jahn gewählt wurde.
Die Keimzelle für den Turnverein in Guntersblum war nach mündlicher Überlieferung der „Gesellschaftliche“, oder auch „Demokratische Verein“.
Als einziges vorhandenes Dokument bestätigt die Gründung des Turnvereins folgender Schriftwechsel:
Die Bürgermeisterei Guntersblum antwortete am 18. Oktober 1848 auf die Anfrage der „Großherzoglich Hessischen Regierungs-Comission“ vom 11. Oktober 1848, die argwöhnisch die neuen Strukturen beobachtete, dass „seit einer Reihe von Jahren ein gesellschaftlicher Verein und seit diesen Sommers auch ein Turnverein besteht.“ Im Mai 1849 musste sich der Verein unter dem Druck der Regierung auflösen.
Die Kräfte wirkten aber weiter. 1862 folgte die Wiedergründung, nachdem die Bestimmungen gelockert waren und Ärzte und Pädagogen das Turnen unterstützten. Die Kriege 1864 und 1870/71 wirkten negativ. Erst danach entwickelte sich ein rühriges Leben und Erfolge beim Wettturnen. Zum 50-jährigen Jubiläum wurde als großes Ereignis 1898 das Gauturnfest im Herrngarten gefeiert.
Das 75-jährige Jubiläum wurde wegen der Inflation erst 1925 gewürdigt und dabei eine zweite Fahne geweiht.
Nächstes großes Projekt war der Bau der Turnhalle, jetzt in den Grundzügen das Dorf- gemeinschaftshaus. Die Halle war vor dem Hintergrund der nachklingenden Inflation und der Weltwirtschaftskrise finanziell nicht haltbar. Der Turnverein musste Konkurs anmelden, die Gemeinde erwarb die Turnhalle. Wichtig aber, auch für die Folge, dass dort der Turnbetrieb gesichert war. Durch den „Reichsbund für Leibesübungen“ wurden die Guntersblumer sporttreibenden Vereine 1937 zwangsweise zusammengeschlossen.
In den ersten Jahren nach dem zweiten Weltkrieg war das Turnen von der Militärregierung nicht erlaubt. Wir gehörten als Abteilung zur Sportgemeinde Guntersblum. Das 100-jährige Jubiläum wurde in diesem Rahmen gefeiert. Mit der Generalversammlung vom 21. Januar 1950 wurden wir wieder selbstständig. Es folgte schon 1952 die Ausrichtung des 2. Landesturnfestes des Rheinhessischen Turnerbundes. Unsere Vereinszeitung wurde damals ins Leben gerufen. Im Zeichen des 110-jährigen Jubiläums 1958 gab es den Ausbau des „Jahnkellers“ unter der Bühne der Turnhalle, die Anlage eines Ehrenmals, eine neue, die dritte Vereinsfahne wurde geweiht. Beide Vorgängerfahnen sind im 2. Weltkrieg von Vandalen zerstört worden. Herausragend auch die Übergabe der handgeschriebenen Chronik und heute noch unvergessen, die Aufführung des Heimatspieles „Der Held von Guntersblum“.
Weitere Jubiläen wurden gebührend gefeiert und gewürdigt. Zum 150-jährigen im Jahre 1998 ehrte uns mit seiner Festansprache der Präsident des Deutschen Turner-Bundes, Prof. Dr. Jürgen Dieckert.
Der Turnhalle blieben wir immer treu verbunden. Kleine Reparaturen wurden erledigt. Eigenleistungen an der Ostseite mit einem Anbau eingebracht und Duschen im Keller installiert. Die Turnhalle wurde zum Dorfgemeinschaftshaus umgebaut. Dort ist unser Archivraum untergebracht. Der Vereinsraum mit Geschäftsstelle und Versammlungsraum im Seitenanbau ist gemietet. Im Jubiläumsjahr 1998 wurde eine eigene Gerätehalle mit sanitären Anlagen auf dem Sportplatz verwirklicht.
Freundschaft pflegen wir mit dem Turnverein 1977 Lipperode.
Von ehemals 170 Mitgliedern im Jahre 1884 und einem Höchststand im Jahre 1998 von 1377, hält sich der Bestand bei entsprechender Fluktuation bei ca. 1200 Mitgliedern. Wir verfolgen das Ziel, durch interessante und aktuelle sportliche Angebote für Jung und Alt attraktiv zu bleiben und den Mitgliederbestand zu erhalten.
Soweit nur ein kurzer Abriss der interessanten Geschichte. In unserer Chronik zum 150-jährigen Jubiläum ist viel mehr nachzulesen. Das Buch ist in der Geschäftsstelle zum Preis von 7,50 Euro erhältlich.